#gauchogate oder „Wenn man sonst nichts zu lästern hat“

Jul
16

Fußball, diese Droge des kleinen Mannes, hat mich schon lange kalt gelassen. Als Supporter des MSV-Duisburg ist man eh leidgeprüft und die Mannschaft, die 1982 für Brasilien auf dem Platz stand (Zico, Socrates und der ganze Rest) ist ballkünstlerisch eh für vermutlich alle Zeiten unübertroffen.

So kommt es, das eine WM (und erst recht eine EM) für mich immer erst so ab Halbfinale anfängt und ich dann doch aus Landesloyalität zu meiner Heimat halte. Da gab es in den letzten Jahrzehnten zwar nicht mehr totale Triumphe, aber vertreten waren die Deutschen ja doch immer irgendwie.

Da war das 7:1 gegen Brasilien für mich schon so was wie Sport: Ich saß vorm PC, zocke Heroes of Might & Magic und lies den Fernseher laufen, um bei spannenden Szenen und vor allem Toren kurz einen Blick drauf werfen zu können. Meine Fresse, war das ein Hin und Her Gerenne.

Das Finale war dann wesentlich mehr K(r)ampf, aber mit dem glücklichen Ende für unser Team. Wir sind also Weltmeister, kann man mal machen, finde ich und entgegen meiner Erwartungen macht mich das auch ein wenig glücklich und zufrieden. Völlig irreal, dieses Empfinden, aber hey, ich kann da auch nicht dafür.

Ich habe aber auch kein Problem mit den Leuten, die ihre Autos während einer WM beflaggen, nicht meins, aber wer bin ich, das ich über die Marotten meiner Mitmenschen richte (Kutte geradezupf, Haare hinter die Ohren klemm).

Gestern nun der Empfang am Brandenburger Tor und diese Jungs, die seit ca. 8 Wochen eingesperrt waren, verbal und auf dem Feld mehrfach richtig auf die Frese bekommen haben (Übrigens: Per Mertesacker Interviewgott! Mindestens!) haben den größten Titel ihres gesamten Lebens geholt und sollten sich diverse Choreografien einfallen lassen, wie sie sich den Fans präsentieren.

Eine davon ist nun also der jetzt schon legendäre „Gaucho“-Tanz, in dem ein altes Partylied auf das Finale umgemünzt wurde: „So gehen die Gauchos, die Gauchos gehen so – So gehen die Deutschen, die Deutschen gehen so!“

 

Das reichte aus, um in den Augen der Sitten- und Moralwächter Deutschlands (Von FAZ bis TAZ) als totale Katastrophe zu gelten: Wie konnte man nur die gerade erspielten Sympathien so leichtfertig wieder verspielen. Dabei sparte man nicht, die Jungs (die mental vielfach noch im Jugendalter stecken geblieben sind) so richtig runterzuputzen.

Nun stelle ich mir es auch sehr anstrengend vor mit Kevin Großkreutz oder Lukas Podolski über Gleichungen mit auch nur 2 Unbekannten zu diskutieren, aber da ist immer noch kein Grund, hier gleich eine Staatskrise heraufzubeschwören.

Der Gesang war lustig gemeint, die Ausführung hätte besser sein können, aber ich denke, da waren auch schon ein paar Atü auf dem Kessel.

Ich jedenfalls hatte ein Grinsen im Gesicht (wobei ich mir das Ganze auf Youtube ansehen musste, denn ich habe natürlich NICHT die Fernsehübertragung dieses „Events“ verfolgt) und denke, dass das Foppen des unterlegenen Gegners und gewisse Frotzeleien einfach dazu gehören. Dass die Jungs nämlich wissen, wann man etwas leiser treten sollte, haben sie schließlich nach dem Brasilien-Spiel bewiesen. Gegen Argentinien, die man niedergekämpft hat jedoch, da darf man ruhig ein wenig rustikaler sein. Das einige südamerikanische Journalisten gleich wieder die Nazi-Keule rausholen müssen, wirkt um so skuriller, wenn man überlegt, das bei diesem Haufen „Nazifußballer“ der Oberarier Shkodran Mustafi mit dabei war.

Dabei gäbe es so viel, über das man sich bei dieser Feier hätte echauffieren können: Helene Fischer? Really?

 

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