Nun ist er also tot, der Staatsfeind Nummer 1, die größte Nemesis seit dem 2. Weltkrieg. Der Mann, der eine Nation, ach was, eine ganze Welt dazu gebracht hat, die Luft anzuhalten. Osama Bin Laden ist nicht mehr. In den frühen Morgenstunden des 2. Mai 2011 (Pakistaner Zeit) wurde er durch ein Spezialkommando der US Navy Seals getötet. Die genauen Umstände sind natürlich nicht bekannt. Hier muss man sich auf die Informationen verlassen, die die USA zur Verfügung stellen.
Der Tod Osama bin Ladens sorgte für merkwürdige Stilblüten, so war sich „uns“ Angie nicht zu blöd, vor die Fernsehkameras zu treten, um dort unverhohlen ihrer Freude Ausdruck zu verleihen, dass Bin Laden getötet wurde: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.“…Sorry, so etwas darf man denken, aber als Staatsoberhaupt eines Rechtsstaates vielleicht nicht unbedingt in die Welt hinaus plärren. Aber sei es drum, hier soll es mal nicht um Super-Angie gehen, die wird in Zukunft noch genug andere Sorgen haben. Außerdem hat man sie ja nur falsch verstanden, der Satz ist ja aus dem Zusammenhang gerissen…
Mir geht es um die Diskussion, ob die Tötung Bin Ladens völkerrechtlich gesehen legitim war, bzw. ob die USA sich nicht einen größeren Gefallen getan hätten, wenn sie ihn zuhause vor Gericht gestellt hätten.
Erst einmal das Völkerrechtliche: Ne, war es wohl nicht so richtig, also legitim. Unter anderem, weil Pakistan erst NACH dem Zugriff informiert wurde, dass reguläre Kampftruppen der USA auf pakistanischem Staatsgebiet einen militärischen Einsatz durchführen. Ob Osama Bin Laden nun Kombattantenstatus hatte oder nicht, sei dahin gestellt. Bin Laden hat in vielen seiner Reden die USA als seinen Feind bezeichnet und sein Wirken (und das von Al Quaida) als Krieg gegen den imperialistischen Feind.
Wollten die USA Bin Laden überhaupt lebend gefangen nehmen?
Ich denke eher nicht, da eine Gefangenname und ein späterer Prozess erhebliche Probleme bedeutet hätten. Im Prinzip hätte Bin Laden an den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt werden müssen, was aber zwei schwerwiegende Probleme aufgeworfen hätte.
1. Erkennen die USA diesen Straferichtshof gar nicht an, würden also gar nicht einsehen, warum sie IHREN Gefangenen an eine Instanz ausliefern sollen, die in den Augen der USA keinerlei Befugnis hat.
2. Viel schwerwiegender, selbst WENN die USA Den Haag anerkennen würde, kann und wird der Internationale Starfgerichtshof niemanden zu Tode verurteilen, schon allein aufgrund fehlender Befugnisse/rechtlicher Möglichkeiten. Das wäre aber dem amerikanischen Volk kaum zu vermitteln gewesen. Osama Bin Laden lebenslang im Knast, aber nicht mal einem Guantanamoderivat, sondern einem eher angenehmen Knast…da wäre Osamas Restleben aber luxuriöser gewesen, als seine zwischenzeitlichen Aufenthalte in Tora Boras Bergwelt. Nichts zu vergessen die dann mit Sicherheit folgenden Versuche Bin Laden wieder freizupressen. Da würde sich sehr bald die Frage stellen, wie viele Tote ein Gefangener so wert ist. Die dann aufbrandende Welle an Attentaten und Geiselnahmen dürfte wohl beispiellos in der Geschichte sein.
Bliebe also, Bin Laden in den USA vor Gericht zu stellen. Auch hier das Problem, das es eine Welle von Befreiungsversuchen der einen oder anderen Art geben würde. Dieser Prozess würde vor den Augen der Weltöffentlichkeit ablaufen, das heißt, mannigfaltige Möglichkeiten für Osama Bin Laden sich zu profilieren und dem imperialistischen Feindbild mal noch so richtig eine mitzugeben. Ein solcher Prozess wäre auch wenig mehr als eine Farce gewesen, denn am Ende hätte eh nur ein Todesurteil stehen können, etwas anderes hätte die amerikanische Volksseele gar nicht zugelassen.
Nun aber ist Osama beim Zugriff erschossen worden, zwei Schüsse in den Kopf, da blieb nichts dem Zufall überlassen. Fachgerecht wurde der Leichnam nach Afghanistan ausgeflogen, auf einen Schiff gebracht und unverzüglich seebestattet, so dass sich keinesfalls eine Pilgerstätte an seinem Grab bilden kann. Dass man dabei so schnell und zielstrebig vorging, kann man wohl nur mit dem Klammerbeutel Gepuderten als Einhaltung muslimischer Bestattungsriten verkaufen. Aber OK, das nehmen wir mal so hin.
Anfangs erwähnte ich ja, dass ich Merkels Verhalten, also ihren Ausdruck von Freude bezüglich der Tötung Bin Ladens, eher daneben finde. Anders verhält es sich mit der Freude der Amerikaner, die ja teilweise direkt nach Bekanntgabe der Tötung spontane Parties vor dem Weißen Haus und an Ground Zero abhielten. Diesem Volk wurde nahezu 10 Jahre lang eingetrichtert, dass Osama das absolut Böse der Welt ist. 9/11 hat das amerikanische Volk ins Mark getroffen, nie zuvor wurde Amerika so vernichtend auf eigenem Grund und Boden angegriffen. Dass diese Leute nun, angesichts der „erfahrenen Gerechtigkeit“ zu jubeln beginnen, mag daher niemand verwundern. Besonders danns nicht, wenn man sich vor Augen hält, wie in der arabischen Welt damals das Attentat auf das WTC bejubelt wurde. Zumal damals der Tod unbeteiligter Zivilisten bejubelt wurde und Osama Bin Laden war bestimmt einiges, aber bestimmt kein unbeteiligter Zivilist!
So hat der Tod Bin Ladens nun dafür gesorgt, dass ein Kapitel der Geschichte geschlossen werden kann, doch es ist Irrsinn oder zumindest extrem blauäugig, zu glauben, dass nun der Terror in der Welt endet. Ich denke eher, wir stehen an der Schwelle einer neuen Terrorwelle. Schon bald werden wir feststellen, ob Bin Laden der Kopf Al Kaidas war oder nur (noch) eine Symbolfigur.
War es ein Fehler, Bin laden zu töten, anstatt ihn vor Gericht zu stellen?
Mai4