Alle Menschen sind gleich…Außer in Kurorten!

Jul
18

Juhuu, endlich konnte mir mal wieder die Hutschnur platzen. Es gibt (bzw. gab) da ein wunderbares kleines Festival namens Queens Of Metal in Süddeutschland, das draussen auf den Wiesen unweit einer kleinen Stadt stattfand. Aufgrund einiger Umstände, die allerdings NICHTS mit dem Festival an sichzu tun haben, steht diese Location nun nicht mehr zur Verfügung. Kommt vor, doch wenn man einen nicht unbeträchtlichen Wirtschaftsfaktor in der Gegend darstellt, dann lassen sich in aller Regel Lösungen finden. Sollte man meinen, aber nicht hier in diesem Fall. Trotz anfänglichem Interesse kam es nicht mal zu einem ersten Gespräch, sondern…aber lest lieber einen Gastartikel von Heiko Eschenbach, der das Festival von Anfang an begleitet hat und der die Lage nüchtern und objektiv zusammen gefasst hat. Ich übergebe das Wort:

Dass Vorurteile gegen Metal-Fans und ihre Kultur immer noch Bestand haben, ist ein bedauernswerter, aber kaum abstreitbarer Zustand. Diese Ablehnung geht durchaus soweit, dass man es auch von Seiten der kommunalen Politik vermeidet, mit ihren Anhängern überhaupt ins Gespräch zu kommen. Exemplarisch steht das Beispiel der Stadt Bad Königshofen im Grabfeld, wo die Veranstalter des in der Region von der Nachbargemeinde sehr gut angenommenen Queens Of Metal-Festivals auf Ablehnung stießen.

Die Situation ist szeneintern durchaus bekannt: Die Veranstalter des Queens of Metal-Festivals befanden sich vor einiger Zeit auf der Suche nach einem neuen Platz für ihr Event, da der alte Zeltplatz wegen Eigenbedarfs den Landwirtes nicht mehr zur Verfügung stand. Als sie den Bürgermeister der genannten Gemeinde auf ihr Gesuch aufmerksam machten, um ein Vorgespräch zu vereinbaren, um sich kennen zu lernen und den Stand der Dinge zu erörtern, wurde ein bereits vereinbarter Termin wieder abgesagt. Die Begründung: Bad Königshofen sei eine Kurstadt, das Vorhaben mit ihren Strukturen nicht zu vereinbaren. Ein unsäglicher Zustand, zumal Anhänger des Festivals in der Vergangenheit durchaus schon Ideen und Arbeitskraft in die Gemeinde investierten: “Es ist doch unmöglich, dass ich mir als jemand, der für seine Heimatstadt bereits gute Dienste getan hat, mit einer solchen Ignoranz begegnen lassen muss”, sagt zum Bespiel Heiko, der bereits vor einigen Jahren bundesweit agierende Bands in den Ort holte, die dort auch gut angenommen wurden. Er war es, der den Kontakt zu Veranstalter Daniel Buld herstellte, genauso wie letztgenannter aber auf taube Ohren stieß, als man den Ort als mögliche Location erkannte und Kontakt zu den Verantwortlichen aufnahm. “Wir waren halt so naiv und haben geglaubt, es gäbe eine Bereitschaft zu Gesprächen. Die gab es aber nicht. Und keiner kann wirklich sagen, warum”. Das ist in der Tat schwer zu verstehen, wenn man in Betracht zieht, dass die Gemeinde Münnerstadt, zuvor viermaliger Ausrichter des Festivals, den Verlust der Veranstaltung aufgrund seiner guten Organisation, allerdings auch wegen der Umsätze bedauert, die das Festival für die um Kleinwenkhein liegenden Ortschaften garantierte. Viele Faktoren galt es mit den Adressaten zu erörtern, Bedenken auszuräumen, das Event zu präsentieren. Dass es in vier Jahren keine einzige polizeiliche Beschwerde aufgrund der Lautstärke gab, da immer vorschriftsgemäß Lautstärkemessungen durchgeführt wurden. Dass das Festival eine maximale Kapazität von 2000 Besuchern hat (ausverkauft war in den letzten vier Jahren nur einmal). Dass es nie zu besonderen Vorkomnissen, im Gegensatz zu so mancher Kirchweih noch nie zu handfesten Ausenandersetzungen kam. Dass es für das Festival ausreicht, wenn man sich irgendwo außerhalb der Tore der Stadt niederlässt, um Belastungen der Anwohner zu vermeiden. Dass es bereits Konzepte gab, die Jugend der Stadt in das Festival einzubinden und somit die örtlichen Jugendeinrichtungen, die ständig die Wichtigkeit von kulturellen Aktivitäten betonen, zu integrieren. Dass man über all das zunächst einmal reden wollte um Alternativen und Möglichkeiten zu erörtern – für den Veranstalter gab es keine Gelegenheit, trotz vorbereiteter Präsentationen und Schriftstücke auch nur einen dieser Gedanken face-to-face anzusprechen. “Mit euch verlaustem und versoffenem Metaller-Pack möchten wir nicht sprechen” – das ist die Interpretation, zu der man sich bei dieser Verweigerungshaltung veranlasst sieht.

Das alles wäre ein bedauernswerter, aber schweren Herzens akzeptabler Umstand gewesen, wäre nicht knapp 18 Monate später in der Innenstadt ein zwölf Stunden langes Techno-Fest genehmigt worden. Grundsätzlich keine schlechte Sache für all diejenigen, deren Herz an diese Musik hängt. Erstaunlich aber – offenbar konnte man hier ins Gespräch kommen, sich über alle Bedenken hinweg setzen und in zentraler Lage an einem Samstag aus den vollen Schöpfen. Bemerkenswert dabei, ist dass es wieder einmal die örtlichen Kultureinrichtungen waren, die hier bevorzugt behandelt wurden, jene, die den Segen verschiedener Bundesämter und der öffentlichen Hand haben. Bemerkenswert ist auch, dass es wenige Monate zuvor bereits möglich war, Hip Hop-Workshops und diverse andere musikalische “Angebote für die Jugend” auf die Beine zu stellen. In Bad Königshofen sind asoziale Metaller unerwünscht, zumindest so lange sie nicht in den “richtigen” Kreisen verkehren. Aberwitzig erscheint in dieser Hinsicht auch ein unmittelbar nach der Techno-Party in der Lokalpresse veröffentlichter Artikel, in dem der Autor, zufälligerweise Mitorganisator der Veranstaltung, wortwörtlich schreibt: „Es ist unverständlich, dass es immer noch Menschen gibt, die Jugendarbeit und Jugendveranstaltungen für unsinnig halten. Jede Generation hat ihre soziale Kultur und will sich ausleben.” Was außer einem sprachlosen Seufzer soll man dem noch entgegen setzen?

Die Reaktionen auf einen wenige Tage zuvor veröffentlichen Leserbrief, in dem der Missstand zum ersten Mal wirklich der Öffentlichkeit präsentiert wurde, waren in der Mehrheit zustimmend. Franz, Max, und Sven, nur einige Metal-Fans aus Bad Königshofen und Umgebung, waren erbost über die Ungerechtigkeit, verbreiteten das Schreiben über Facebook und nannten die Situation “unfair” und die Entscheidungsträger als “Heuchler”. Fabian Schwarz, Gitarrist der bekannten Band The New Black, der mit seinen Jungs bereits auf dem Festival gespielt hat, sieht die ganze Sache ähnlich. Die Argumente der Gegenseite, Rockmusik interessiere doch keine Sau mehr, und sei Zeit, auch mal den Anhängern anderer Genres eine Veranstaltung zu bieten verstummten, als sie in einem persönlichen Gespräch plötzlich einstanden, dass sie die grundsätzliche Meinung, hier ginge eine ungerechte Gewichtung von Interessen von Statten, im Grunde zustimmen müssten.

Das Festival jedenfalls, das viele Metal-Fans aus der Region zu ihren Lieblingen zählten, ist bis auf Weiteres aus dem näheren Umfeld verschwunden. All die Arbeit und Mühe, und all die begeisterten Anhänger, die lobenden Worte von Anwohnern und Behördern, wie lobenswert gesittet das alles von der Bühne ging, waren nicht genug, um die Ignoranten an der Spitze der Stadt zu überzeugen. Enttäuschung macht sich breit, nicht nur bei den Veranstaltern, sondern auch bei einigen unabhängigen Menschen, die gegen ein solches Vorhaben nichts einzuwenden hätten. “Man muss schon alle gleich behandeln, nicht den einen so und den anderen so”, sagt zum Beispiel eine 50-Jährige, die den Ärger der Anhänger durchaus verstehen kann. So allerdings läuft es oft heutzutage. Trotz nachwachsender Generationen und vermuteter Offenheit wird Metal-Fans weltweit mit Ablehnung begegnet, weil sie sich abgrenzen wollen, weil sie zu ihrer Leidenschaft stehen. Ihre Anliegen zählen nicht, und das, obwohl die einfache Auseinandersetzung mit ihnen schon so manchen Voreingenommenen überzeugen könnte. Bestes Beispiel dafür ist Kleinwenkheim: Vier Jahre lang waren die Metal-Fans hier als Teil der Gesellschaft akzeptiert und gern gesehene Gäste. Auf der Homepage wurde schon damals mit dem benachbarten Bad Königshofen als Ort für Übernachtungen geworden, so dass davon auszugehen ist, dass der ein oder andere Hotelbetreiber bereits vom Queens Of Metal-Festival profitiert hat, ohne es zu wissen. Aus ganz Deutschland waren die Metal-Fans zu dem Festival angereist, nicht jeder wollte sich zwei Tage lang den Gegebenheiten eines Camping-Platzes aussetzen.

Letztlich wird es in vielen Gegenden Deutschlands immer eine Gruppe Musikfreunde geben, die härter für ihre Alltagsflucht und für ihre Leidenschaft kämpfen muss, als andere. Und immer wieder wird man sich hinterher die Hände reiben, wie sehr man es den verkommenden Rockfans doch mal wieder gezeigt hat.

Heiko Eschenbach für Wilde Ente

 

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