Religionsdidaktik anno 2011 an der Gesamtschule Eiserfeld in Siegen/NRW

Jul
6

Gastartikel von Stefanie Strunk:

Im Siegerland hatte und hat Religion einen hohen Stellenwert. Neben den evangelischen Kirchengemeinden entwickelte sich in der Region seit dem Aufkommen eines streng gelebten Calvinismus, ein Milieu aus zahlreichen freikirchlichen Gemeinden, deren Tradition sich wiederum aus dem Pietismus und der Erweckungsbewegung begründet.
Wer hier lebt, dem ist diese Besonderheit zumeist bewusst, denn „Christ sein“ wird im Siegerland ganz offen und selbstbewusst im Alltag gelebt. Ein Umstand gegen den eigentlich nichts einzuwenden wäre, wenn es nicht in den letzten Jahren einige Entwicklungen, sowohl im streng religiösen Milieu der traditionellen Freikirchen, aber auch in der hier ansässigen populären Calvery Chapel gegeben hätte, die als besorgniserregend zu bezeichnen sind. Auch Familien, die nicht religiös leben, bzw. sich eher als atheistisch einordnen, können dem zunehmend strenger wehenden religiösen Fundamentalismus nicht mehr aus dem Wege gehen, wie das nachfolgend geschilderte Ereignis, das sich gestern – also am 06.07.2011 – in Religionsunterricht der 10. Klasse der Gesamtschule Eiserfeld abgespielt hat:
Die Religionslehrerin betrat die Klasse mit einem Korb voller Kekse. Sie stellte sich vor die Klasse und biss für alle sichtbar von einem Keks ab. Diesen legte sie in das Behältnis zurück und lies es anschließend in der Klasse durchgeben, damit sich jedes Kind bedienen konnte. Als der Korb wieder zu ihr zurück kam, war die angebissene Süßigkeit noch darin. Die Lehrerin fragte daraufhin die Klasse, warum niemand den bereits angeknabberten Keks genommen habe? Als die Kinder erklärten, dass sie bereits angebissene Keks nicht besonders hygienisch fänden, bzw. das Ganze ja auch schon irgendwie eklig sei, wenn jemand den Keks schon im Mund gehabt habe, kommentierte dies die Lehrkraft sinngemäß wie folgt:
Seht Ihr, und so ist es auch mit dem Sex vor der Ehe. Wer sich anbeißen lässt, den will später niemand mehr haben, weil derjenige als eklig und gebraucht angesehen wird.
Auf die drauf folgende Diskussion muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Es mag auch zu Recht bezweifelt werden, ob sich 16 und 17jährige Kinder in der Pubertät von solchen Beispielen vom Sex abhalten lassen, aber eines weiß ich ganz genau: Diese Art einer verklemmten, diskriminierenden und auch sexistischen religiösen Erziehung hat im Religionsunterrich einer staatlichen Schule nichts zu suchen. Es sei an dieser Stelle die Frage gestattet, was die Siegerländer Schulen eigentlich konkret unternehmen um eine Unterwanderung durch fundamentalistische Religionslehrer zu vermeiden? Hat man diese Tatsache eventuell noch gar nicht bemerkt, oder aber ignoriert man sie beflissentlich, weil man die Negativschlagzeilen scheut?
Die eigenen Kinder vom Religionsunterricht zu befreien kann keine Lösung sein, denn das hieße das Fach völlig dem religiösen Wahn auszuliefern. Ich warte auf den Rückruf des Verantwortlichen für den Religionsunterricht an der besagten Schule, bisher jedoch vergebens…

Stefanie Strunk

Werbung, die mal absolut zum Thema passt:

 

Leave a Reply